'sport inside' - Die Rebellin und der Verband

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Wie Larissa Kleinmann den Bund Deutscher Radfahrer herausfordert

Sport Inside vom 18.02.2008

Kurz nach Sonnenaufgang auf Mallorca. Während die anderen noch beim Frühstück sitzen, ist Larissa Kleinmann schon beim Training.

Eine gute Stunde später, im Heizungskeller des Hotels. Vorbereitungen für das zweite Training am Tage. Eine Ausfahrt steht an, Kraft bolzen am Berg. Es ist die erste Saison für Larissa Kleinmann als Strassenradprofi, im Team Nürnberger einem der besten Damenteams der Welt. Früher war sie Bahnfahrerin, trug das Trikot der deutschen Nationalmannschaft.
Sie galt als die grosse Hoffnung im Bund Deutscher Radfahrer.

Kurz nach Sonnenaufgang auf Mallorca. Während die anderen noch beim Frühstück sitzen, ist Larissa Kleinmann schon beim Training.

Eine gute Stunde später, im Heizungskeller des Hotels. Vorbereitungen für das zweite Training am Tage. Eine Ausfahrt steht an, Kraft bolzen am Berg. Es ist die erste Saison für Larissa Kleinmann als Strassenradprofi, im Team Nürnberger einem der besten Damenteams der Welt.
Früher war sie Bahnfahrerin, trug das Trikot der deutschen Nationalmannschaft.
Sie galt als die grosse Hoffnung im Bund Deutscher Radfahrer.

Larissa Kleinmann kann einen ziemlich grossen Gang drücken.
Nicht umsonst hört sie auf den Spitznamen Lilli Hammer,
nicht ohne Grund wurde sie Deutsche Meisterin in der Einerverfolgung.
Olympia 2008 in Peking – der Traum war so nah.
Bis sie beim BDR in Ungnade fiel.

Kein Wort, kein Blick, nichts!
Ende Januar, Wiedersehen im Fahrradkeller auf Mallorca.  
Bundestrainer Jochen Dornbusch, der hier die deutschen Bahnfrauen fit für Olympia machen will, trifft dort auf Larissa Kleinmann.
Beide sind sie im Trainingslager, beide haben sie sich nichts mehr zu sagen:

Larissa Kleinmann (Radprofi):
„Auf den den BDR bin ich nicht gut zu sprechen. Mit dem möchte ich eigentlich nichts mehr zu tuen haben.“
Jochen Dornbusch Bundestrainer Frauen):
„Sie ist raus. So. Und damit ist für mich auch die Vorbereitung auf Olympia von der Kleinmann abgeschlossen.“


Was mußte geschehen, daß diese hoffnungsvolle Athletin von heute auf morgen zur 'Person non Grata' wurde?!

Ihre Geschichte erschließt sich nicht gleich auf den ersten Blick.
Sie handelt von Lust, von Leidenschaft. Die Lust sich zu quälen, an Grenzen zu gehen. Die Leidenschaft Dinge zu wagen, die sonst nicht jeder macht!
Der mündige Athlet in Reinkultur.


Larissa Kleinmann:
„Ich war eigentlich immer schon ein wenig anders als andere.
Da bin ich auch stolz drauf. Das würde ja langweilig sein auf der Welt. Ja, ich habe mich eigentlich immer schon unterschieden von der Masse.“


Die mündige Athletin sorgt für Reibung mit dem Radsportverband. Larissa Kleinmann entscheidet selbst, was für sie und ihre Leistung am Besten ist.
Ihre Entschlüsse gefallen nicht jedem.

Für Ärger mit dem BDR sorgt eine Urlaubsreise nach Mexico. Nach einer Sturzverletzung im Rennen, nach Beginn der Ausbildung bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr.


Larissa Kleinmann (Radprofi):
„Nach drei Wochen in der Grundausbildung wurde ich krankgeschrieben, weil ich da ein Schwächeanfall hatte. Da bekam ich Infusionen bekommen. Da hatte ich wirklich mal einen Urlaub nötig. Da habe ich dann dem Bundestrainer das gesagt. Und der sagte: na ok. Viel Spaß im Urlaub. Und er würde sich Gedanken machen, über Weltcups und Nominierungen und wie es in meinem Fall jetzt läuft. Und dann habe ich die Bundeswehr gefragt, ob ich Urlaub beantragen kann. Und die haben mir dann  das genehmigt ....  

Jochen Dornbusch (Bundestrainer):
„Was macht man, wenn man krank ist als Hochleistungssportler?!
Geht man zum Arzt, geht man zum Physiotherapeuten, läßt sich behandeln, dass man so schnell wie möglich wieder fit ist. Dafür zahlt der deutsche Staat, bzw. die Bundeswehr. Was macht die Frau Kleinmann? Die fährt nach Mexico mit dem Rucksack und rennt da durch die Gegend.

Frage: Sie sollen Ihr aber noch viel Spaß im Urlaub gewünscht haben?

Na klar, logo! Wenn Sie mir jetzt eine E-Mail schreiben, ich fahre jetzt in den Urlaub, dann schreibe ich Ihnen zurück, viel Spaß alle Gute.

Frage: Sie wußten nicht, dass sie nach Mexiko geht.

Doch! Aber ich bin doch nicht dafür zuständig, der Frau Kleinmann einen Urlaub zu genehmigen, zu planen oder sonst was zu machen. Die sind doch alt genug. Das Mädchen ist 29 Jahre. Soll ich der jetzt sagen, was du machst ist Blödsinn?!“  

Larissa Kleinmann (Radprofi):
„Körperlich war ich am Ende, geistig auch. Trainieren konnte ich nicht.
Da habe ich gedacht, kümmerst du dich mal um meinen Kopf. Probiere den wieder auf die Gerade zu bekommen.  Und ich kenn mich ja auch selber gut genug. Und da ist so eine Rucksackreiste für meinen Kopf am Allerbesten, um dazu dann wieder die richtige Perspektive auf den Sport und auf das Leben zu bekommen.“

 

 

.... Reaktionen auf den Sport Inside Beitrag

{mospagebreak}Drei Wochen allein mit dem Rucksack durch Nordmexico.
Das macht nicht jeder.
Manchmal kann gerade dass helfen, wieder richtig in Tritt zu kommen.


Larissa Kleinmann:
„Das hat eigentlich auch perfekt funktioniert. Ich kam aus Mexiko wieder, war frisch im Kopf, war eigentlich ready to go. Wieder auf Rad zu steigen und zu trainieren. Und dann wurde ich vorgeladen nach Nürnberg, wurde mir Unprofessionalität vorgeworfen. Und dann habe ich gesagt: ok, ich bin unprofessionell. Ja dann kucken wir mal was am BDR noch alles so unprofessionell ist. Habe ich eben dem Sportdirektor den Spiegel vors Gesicht gesetzt und das kommt natürlich nicht gut an.  Das ist ein Tabu im Bund Deutscher Radfahrer und das war klar, dass ich dann aus der Sportfördergruppe rausgeworfen worden werde.“


Der Ausschluß aus der Bundeswehr erfolgte auf Betreiben des BDR.
Verantwortlich hierfür: der Leistungssportdirektor Burkhard Bremer:
Ein Interview vor der Kamera lehnt er ab. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber 'Sport Inside' begründet er das Vorgehen des Verbandes im Fall Larissa Kleinmann: Der Hauptkritikpunkt: die Mexicoreise, ihre eigenmächtige Vorbereitung auf die nächste Saison.

ZITAT:
„Diese Vorgehensweise können wir nicht als eine zielorientierte Vorbereitung auf die angestrebte Olympiaqualifikation und das mögliche Ziel Olympische Spiele akzeptieren.“


Larissa Kleinmann geht mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit. In einem Offenen Brief wirft sie dem Bund Deutscher Radfahrer und seiner sportlichen Führung veraltete Trainingsmethoden, autoritäres Machtgehabe und mangelnde Doping-Aufklärung vor.

Larissa Kleinmann:
„Was ich vermisse, daß bei uns ist, dass schon bei den Junioren und Juniorinnen auch bei uns Frauen und Männern, dass da wirklich offensiv gegen Doping gearbeitet wird. BLITZ Da hätte ich mir schon gewünscht, dass da vom BDR, Bundestrainer oder Sportdirektor, dass da bei Teammeetings auch wirklich gesagt wird, halt Leute bringt eure Leistung aber clean.“


Die Kritik hat Folgen. Am Ende des Streites mit der BDR-Sportführung steht der Ausschluß aus dem Nationalteam. Die Hoffnung auf eine Olympiateilnahme ist dahin, all die Mühen scheinen vergebens. Sprichwörtlich In die Ecke wollte Larissa Kleinmann ihr Rad stellen.

Larissa Kleinmann:
“Mit dem BDR ist eigentlich niemand zufrieden. Also ich habe nicht wirklich positiven Feedback über dem BDR gehört bei den Athleten. BLITZ Einer nach dem anderen wird aus dem Kader geschmissen, in den Mülleimer geworfen. Vielleicht sollte man sich da auch einmal Gedanken machen, ob es nicht auch am System liegen kann, nicht nur an den Athleten immer.“


Doch von Einsicht ist beim BDR offensichtlich wenig zu spüren. Erst jüngst wurde bekannt, daß mit Leif Lamperter ein weiterer deutscher Topp-Fahrer aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr entlassen werden soll. Auch er hatte seinen eigenen Kopf, die Verbands-Führung öffentlich kritisiert.

Einer, der diese Art und Weise des Umgangs nicht mehr nachvollziehen kann, ist Robert Bartko. Immerhin mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger auf der Bahn.

Robert Bartko (Olympiasieger):
„„Ich denke es gehören immer zwei dazu, wenn so eine Situation entsteht. Ob man dann so drakonische Strafen, wie Ausschluß aus der Bundeswehr, Ausschluß aus der Nationalmannschaft .... Ja, ob das dann verhältnißmäßig ist, wenn man kein Luxusproblem hat, wir haben werder im Frauen-Bereich, noch im Männerbereich eine Auswahl an Topp-Athleten, wenn man dann so eine Fahrerin hat wie die Larissa und sie dann aus allem ausschließt ist das alles sehr unvernünftig und unklug.“


Und Larissa Kleinmann?!
Sie hat viele Briefe bekommen. Mache weiter, halte durch!!
Die Mails aus dem Fahrerfeld haben ihr wieder Mut gemacht!

Beim Trainingslager auf Mallorca trainiert sie auch mal mit ihren ehemaligen Kolleginnen aus der Nationalmannschaft. Da gibt es kein Problem.

Dennoch: Das Kapitel BDR scheint beendet.
Hier gibt es keinen Kontakt, keine Geste, keine Versöhnung mehr.


Jochen Dornbusch (Bundestrainer):
„Man kann es ja auch nicht jeden Recht machen. Ist ja auch ganz klar. Das da immer mal welche sind die sagen: das ist ein Blödmann, mit dem kann ich nicht oder mit dem will ich nicht. Ok! Aber das hat glaube ich jeder, oder?! Ich werds überstehen!“


Larissa Kleinmann (Radprofi):
„Es muß sich halt was tuen. Ich weiß nicht, ob die Leute an der Spitze Angst haben vor Veränderungen, weil sie einfach selbstgefällig sind oder denken sie wären die Allerbesten und Allergrößten. Es gibt kein Grund was zu ändern. Den Eindruck macht die Spitze auf mich. Aber irgendwann .... Man kann nur eine bestimmte Zeit der Realität davon laufen .... Und je höher man fliegt in einer anderen Welt, desto schwerer wird dann der Fall, wenn einem die Realität einholt. Und irgendwann holt sie einen immer ein.“   


Was bleibt? Eigentlich nur Verlierer! Ein Verband, der auf motivierte Sportler verzichtet, weil es ihm ums Prinzip geht. Und Athleten, die nicht mehr für Deutschland starten können, weil sie auch nach ihrem Kopf handeln.

Beim Team Nürnberger jedenfalls ist man froh, dass Larissa Kleinmann jetzt bei Ihnen in die Pedale tritt. Hier soll sie Tempo bolzen, Sprints anziehen, Lücken zufahren. Die Verantwortlichen wissen was sie drauf hat und daß sie nicht unrecht ihren Spitznamen Lilli Hammer trägt.


Autor: Fred Kowasch
Mitarbeit: Ralf Meutgens
Kamera: Stefan Stechow
Schnitt: Patrick Lindhof
Länge: 09:00 min

 

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