Geschichten aus Rio - Stadtderby


von Fred Kowasch

Stadtderby in Rio - da muß ich hin. Der Kollege ist (wie immer) nicht am verabredeten Treffpunkt, also gehts allein mit dem Zug ins künftige Olympiastadion. Unterwegs vor allem schwarz-rot, die Farben von Flamengo, dem mitgliederstärksten und bekanntesten Vereins Brasiliens.

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Am Stadion angekommen, heisst es erst einmal Schlange stehen. Eine Stunde warten, bei 38 Grad in der Sonne. Den mobilen Verkäufern gehen schnell die Wasserflaschen aus. Das Spiel hat bereits begonnen, da bin ich endlich am Kartenschalter angekommen. Wie immer versteht keiner Englisch. Mein Portugiesisch reicht mittlerweile dazu, zu erfahren, dass die preiswerten Karten alle ausverkauft sind. Weiter zum nächsten Schalter. Der Kollege ist inzwischen eingetrudelt. Wir holen zwei Tickets (für ungerechnet 30 Euro), hetzen um das Stadion herum zu einem anderen Eingang. 20 Minuten nach Anpfiff sind wir schließlich in der Arena. Es steht 0:1.   

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Zunächst fällt auf, wie viele hübsche Frauen hier zum Fußball gehen. Und das kein Bier verkauft wird. Nur Wasser, Wasser, Wasser. Auf dem Rasen wird erstmal ein kleines Päuschen gemacht. Time out für drei Minuten - bei dieser Hitze nur allzu verständlich. Was wird von der ersten Halbzeit noch mitbekommen ist wenig sehenswert, zu viele individuelle Fehler auf beiden Seiten. Immerhin ist es das Halbfinale der regionalen Meisterschaft - ein KO-Spiel.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit gibt es ordentlich Support. Einespieltes Liedgut von Band - drönend über Lautsprecher abgeblasen - gibt es bei diesem Spiel nicht. Es entwickelt sich ein munterer Schlagabtausch, auch auf dem Rasen. Die Sprechköhre - die der Kollege dankenswerter Weise übersetzt - würden in Deutschland sicherlich die mediale Gedankenpolizei auf den Plan rufen.

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Kurz vor Abpfiff fällt dann doch noch ein Tor. Der Lokalrivale aus dem Stadtteil Botafogo gewinnt das Spiel. Tausende Flamengo-Fans strömen zu Ausgängen, einige bleiben sitzen und weinen. Vor dem Stadion sehe ich dann, wie die wohl grösste Ultrafahne der Welt in einen Kleintransporter verladen wird. Polizisten sperren ab, stehen assistierend daneben. Dann explodiert irgendwo noch ein Böller, der Kollege ruft "Tränengas" und marschiert ab. Meine Augen fangen an zu beissen, um mich herum beginnen zahreiche Flamengo-Fans zu niesen. Das wars dann mit der regionalen Rio-Meisterschaft.

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