sport inside: 'Billigend in Kauf genommen'

Wie zwei Sportärzte an der Uniklinik Freiburg jahrelang deutsche Radsportler dopten

 

sport inside -27.04.2009

Ein Film von Ralf Meutgens und Fred Kowasch

 

Er ist einer der Kronzeugen für den grössten Sportskandal in den letzten Jahren. Patrick Sinkewitz. Der ehemalige Radprofi vom T-Mobile-Team behautet, hier in Freiburg am Universitätsklinikum, in der Abteilung Sportmedizin, gedopt worden zu sein.

 

Und diese beiden Herren sollen für den Sportbetrug verantwortlich sein, sagt Sinkewitz. Professor Dr. Andreas Schmid und Dr. Lothar Heinrich, früher Ärzte im T-Mobile-Team.

 

Im Jahr 2006 sollen sie ihm, so gab Sinkewitz in einer Befragung durch das BKA an, sechs Liter Blut entnommen und wieder zugeführt haben.


sport inside

27.04.2009

Ein Film von Ralf Meutgens und Fred Kowasch

 

Er ist einer der Kronzeugen für den grössten Sportskandal in den letzten Jahren. Patrick Sinkewitz. Der ehemalige Radprofi vom T-Mobile-Team behautet, hier in Freiburg am Universitätsklinikum, in der Abteilung Sportmedizin, gedopt worden zu sein.

 

Und diese beiden Herren sollen für den Sportbetrug verantwortlich sein, sagt Sinkewitz. Professor Dr. Andreas Schmid und Dr. Lothar Heinrich, früher Ärzte im T-Mobile-Team.

 

Im Jahr 2006 sollen sie ihm, so gab Sinkewitz in einer Befragung durch das BKA an, sechs Liter Blut entnommen und wieder zugeführt haben.

 

Patrick Sinkewitz (Radprofi)

Frage: Was hat das für einen Effekt gehabt?

Eine Leistungssteigerung. Man hat einfach mehr Ausdauer, mehr Power, man fühlt sich besser, man regeneriert besser. Und auch die üblichen Wirkungen, die eigentlich ja auch bekannt sind.

 

Frage: War das ein anderer Effekt als die Wirkung von EPO?

Einfach ein sicherer Effekt und die Länge des Effektes war auch besser. So über vier, fünf Wochen. Das ist natürlich in der heutigen Zeit im Sport schon ein riesen Erfolg oder ein riesen Vorteil, den man sich erschaffen kann.

 

Frage: Und das war auch üblich?

Ob das üblich war. Ich denke, dass kann ich nicht genau sagen oder auch nicht an Zahlen belegen. Ich war sicherlich keine Ausnahme."

 

Was Sinkewitz schildert, wird nun durch den Bericht des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL bestätigt, dem eine nicht autorisierte Fassung des Abschlußberichtes der Freiburger Untersuchungskommission vorliegen soll. Aus dem Reihen des dreiköpfigen Expertengremiums um den ehemaligen Richter Dr. Hans Joachim Schäfer heißt es, dass man aber noch an der Endfassung arbeite.

 

Schon im Zwischenbericht der Kommission wurde deutlich, daß Radsportler in Freiburg in der Vergangenheit systematisch gedopt wurden. Spätestens mit der Aussage von Patrick Sinkewitz rückt nun auch der strafrechtlich relevante Zeitraum in den Focus. Das in diesem Zeitraum offenbar gegen das Arzneimittelgesetz verstossen wurde, betätigte gegenüber Sport inside, bereits vor Monaten die in dieser Sache ermittelnde Staatsanwaltschaft.

 

Wolfgang Maier (Oberstaatsanwalt Freiburg, 27.10.2008, Sport inside)

Beispielsweise haben wir einen Zeugen ausfindig gemacht, der angegeben hat, das beim Team Telekom oder Team Telekom in nicht verjährter Zeit, das heißt ab dem Jahr 2003 Epo verabreicht wurde unter Mitwirkung der hier beiden beschuldigen Ärzte."

 

Dieser Zeuge, der sowohl für das Team Telekom als auch für das T-Mobile-Team fuhr, beschuldigt nach Informationen von Sport inside insbesondere Dr. Lothar Heinrich ihm Epo und Wachstumshormon gegeben zu haben. Dieser zweite Kronzeuge erhebt auch den Vorwurf, dass falsche Atteste eingesetzt wurden, um Doping zu verschleiern. Patrick Sinkewitz zum Beispiel erhielt im Frühjahr 2006 ein Attest, daß ihm zur medizinischen Behandlung Cortison gespritzt werden darf. Cortison, ein beliebter Dopingstoff unter Radprofis. Ähnliche Ausnahmegenehmigungen gab es auch für Athmamittel.

 

Dr. Hans Joachim Schäfer
(Chef der Untersuchungskommission Freiburg, 27.10.2008, Sport inside)
"Die Kommission weiß, dass jedenfalls Ausnahmegenehmigungen die dann gerechtfertigt haben Asthmamittel zu geben, oder Cortison zu geben, die gab es zuhauf. Es ist auch interessant, dass dann die Mittel nicht etwa artgerecht gegeben wurden sondern zum Beispiel intramuskulär gespritzt worden. Und das ist Doping."


Die Rathaus-Apotheke in Elzach. Von hier sollen nach vorläufiger Fassung des Abschlußberichtes im Jahr 2006 die Ärzte Heinrich und Schmid Medikamente in Höhe einer fünfstelligen Summe bezogen haben. Im diesem Januar wurde die Apotheke nach Informationen von Sport inside durchsucht. Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.

 

{mospagebreak}Wie die Ärzte vorgegangen sein sollen, zeigt das Beispiel Tour de France vor drei Jahren. Zur Erinnerung: die Operacion Puerto wirft ihre Schatten. Rudi Pervenage, Betreuer beim T-Mobile-Team auf der Flucht. Einen Tag vor dem Start der Frankreichrundfahrt wird Jan Ullrich wegen Dopingvorwürfen vom Team T-Mobile vorläufig suspendiert. Auch andere Top-Favoriten werden von der Tour ausgeschlossen.

 

Zwei Tage später. Vor dem Start eine Ehrenerklärung, gerichtet an das Fahrerfeld. Eine saubere Tour solle es werden, diese 93. Frankreichrundfahrt. An diesem Sonntag im Juli geht es 184 Kilometer rund um Straßburg. Eine Etappe für die Sprinter, eine Etappe zum Einrollen gewissermassen. Nach dem Rennen sollen drei Fahrer des Teams T-Mobile zum Zweck des Blutdopings von Straßburg zur Sportmedizin nach Freiburg gefahren sein. Das berichtet DER SPIEGEL unter Berufung auf den noch unveröffentlichen Abschlußbericht der Freiburger Expertenkommission.

 

Danach sollen, neben dem geständigen Patrick Sinkewitz, dies die beiden Radprofis Matthias Kessler und Andreas Klöden gewesen sein. Kessler ist wegen eines anderen Dopingfalls zur Zeit gesperrt. Er und Klöden äußerten sich gegenüber dem SPIEGEL nicht. Klöden würde die Aberkennung seiner olympischen Bronzemedaille drohen.

 

Fest steht: am fraglichen Tag ist es bei Patrick Sinkewitz, während des Blutdopings durch Professor Dr. Andreas Schmid zu Komplikationen gekommen, weil Zitat: „sich das Blut als verdorben erwies". So heißt es in dem Beschluß des Amtsgerichtes Freiburg zur Durchsuchung der Sportmedizin, der dem WDR vorliegt. Für Sinkewitz bedeutete dies Lebensgefahr.

 

Prof. Dr. med Gerhard Uhlenbruck (Transfusionsmediziner)

Frage: Also hat Patrick Sinkewitz in diesem Fall außerordentlich viel Glück gehabt?

Er hat enorm viel Glück gehabt. Es gibt zwei Dinge, an denen man hätte sterben können. Einmal am Phänomen der Verklumpung und das zweite ist, an dem Phänomen der Vermehrung dieser Bakterien. Und diese Vermehrung ist offenbar durch sein relativ gutes Immunsystem verhindert worden, so dass nicht Schlimmeres passiert ist.

 

Das Dopingsystem Freiburg.
Patrick Sinkewitz kann froh sein, es nicht mit dem Leben bezahlt zu haben.

 

Prof. Dr. med Gerhard Uhlenbruck (Transfusionsmediziner)

Wenn man schon das macht mit Eigenblutdoping und dann sagt man: gut hier stimmt irgend etwas nicht, dann ist es auf alle Fälle ein Verbrechen den Mann wieder in das Rennen zu schicken und zu sagen: wer weiß .... Der Arzt hat ja ein unglaubliches Glück gehabt. Nach meiner Meinung nach hätte da was passieren können und dann wär wirklich die Hölle los gewesen." 

 

Und die beiden Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich? Denen ist bisher nicht einmal die Approbation entzogen worden. Derzeit wird wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Für die Fahnder besonders schwierig: im Jahr 2006, war Blutdoping aufgrund einer Lücke im Gesetz nicht strafbar. Der Aachener Oberstaatsanwalt, Robert Deller, ein versierter Ermittler in Dopingfragen, hat auf diesen Umstand schon vor Jahren hingewiesen.

 

Robert Deller (Oberstaatsanwalt Aaachen)

Im Jahre 2006 war das sogenannte Blutdoping strafrechtlich noch nicht relevant. Einschlägig wäre die Vorschrift des Paragraphen 6a Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit Paragraph 95 Arzneimittelgesetz gewesen. Diese Vorschriften haben aber, jedenfalls im Jahr 2006, ein derartiges Verhalten noch nicht unter Strafe gestellt."

 

Dr. Hans Geyer (Institut für Biochemie, Köln)

2006 war Eigenblutdoping nicht nachweisbar, wir hatten 2004 zum ersten Mal Fremdblutdoping nachweisen können. Mittlerweile gibt es Methoden, indirekte Methoden, mit denen man starke Hinweise auf Eigenblutdoping hat. Aber 2006 gab es keine justiziable Nachweismöglichkeit."

 

Eigenblutdoping. Im Jahr 2006 nicht nachweisbar und offensichtlich nicht strafbar.

Doch das war nur ein Teil des Sytems Freiburg bei dem sich offenbar viel Geld verdienen ließ. Allein für Dr. Lothar Heinrich gab es 2006, neben seinem normalen Bezügen von der Uniklinik in Freiburg einen Extravertrag über 60 000 Euro mit dem T-Mobile-Team. Ein Betrag, der angesicht eines geplanten Gesamtetats für das Team in Höhe von 16,9 Millionen Euro nicht wirklich überrascht.

 

Über welche weiteren Verträge Heinrich noch verfügte, ist bis heute unklar. Im Internet findet sich auch Hinweise zum Triathlon. So wurde Dr. Lothar Heinrich als medizinischer Berater für das Team Tri Dubai geführt. Einem Team das von 2004 bis 2006 zahlreiche Triathlonstars unter Vertrag hatte. Die Suche im Dopingsumpf geht weiter.

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